Bäume kommunizieren mit Hilfe von bioaktiven Duftstoffen, chemischen Substanzen, miteinander. Je nach Zustand erfolgt dieser Ausstoß von Baummolekülen unterschiedlich. So können diese Stoffe „Fressfeinde - Achtung Gefahr“ signalisieren oder „Ich wurde verletzt“. Rund 2.000 Wörter, die sich aus solchen Duftstoffen zusammensetzen, sind bekannt.
Die Duftstoffmoleküle sind Teil der Gruppe der Terpene, die wiederum in ätherischen Ölen zu finden sind. Ihr Wirkbereich umfasst auszugsweise den Schutz vor Sonneneinstrahlung, die Abwehr von Schädlingen durch Ausscheidung unangenehmer Stoffe, das Anlocken von Bestäuberinsekten uvm.
Der Wald gibt diese bioaktiven Terpene aus seinen Blättern, Nadeln, aus Baumstämmen, durch andere Waldpflanzen, über herabgefallenes Laub und über die Humusschicht an die Umwelt ab.
Im Wald herrscht also ein reger Austausch an Duftstoffen. Wir Menschen sind mit unserem Immunsystem, das zunehmend als Sinnessystem betrachtet werden kann, darin eingebunden. Wenn wir im Wald spazieren, tauchen wir mit all unseren Sinnen in dieses kommunizierende Umfeld ein. Mit jedem Atemzug nehmen wir diese Waldluft über Mund und Nase in uns auf und bringen die Stoffe so über die Lungen (und auch teils über unsere Haut) in unseren Blutkreislauf.
Seit dem Jahr 2012 gibt es eine Forschungsausrichtung „Waldmedizin“ bzw. „Forest Medicine“, die sich dem Einfluss des Waldes auf die Gesundheit des Menschen widmet. Das Ziel ist, Stress zu reduzieren und Krankheiten vorzubeugen.
Aus wissenschaftlichen Arbeiten geht hervor, dass ein Waldaufenthalt die Aktivität unseres Parasympathikus, der in uns für Ruhe und Entspannung verantwortlich zeichnet, erhöht. Herzfrequenz und Blutdruck werden gesenkt, das Hormonsystem und das Immunsystem werden über das psycho-neuro-endokrino-immunologische Netzwerk positiv beeinflusst. Konkret erhöhen sich die Zahl und die Aktivität der natürlichen Killerzellen in unserem Blut.
Der Anstieg der Killerzellen wurde nach einem Tag im Wald auf 40% gemessen, bei zwei Tagen im Wald stieg die Zahl auf über 50% an. Diese positive Veränderung hält rund sieben Tage an. Die Killerzellen sind spezielle weiße Blutkörperchen, ein wesentlicher Teil unseres Immunsystems, das Krankheitserreger erkennt und diese beseitigt.
Darüber hinaus kann ein Waldaufenthalt mit seinen Duftmolekülen die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol reduzieren, was sich positiv auf unsere Gesundheit auswirkt. Auch der mentale Stress (mentale Müdigkeit) wird durch das „Waldgeflüster“ geringer. Darüber hinaus reduzieren sich negative Emotionen, positive werden gestärkt.
Zur Erinnerung: Wir wissen, dass Stress unsere Immunfunktion hemmt. Ein Aufenthalt im Wald trägt zur Stressverminderung wesentlich bei.
Obschon die bioaktiven Duftstoffe des Waldes im Sommer am konzentriertesten sind, sind sie auch im Winter vorhanden, wenn auch in niedriger Konzentration. Es lohnt sich, wenn wir – wann immer möglich – mitten in den Wald eintauchen und tief atmen, um uns mit dem Wald zu verbinden und die besonders reich vorkommenden Terpene in uns aufzunehmen.
Quellen: Quing Li - New Concept of Forest Medicine, May 2023, erschienen in: Forests 2023, 14, 1024; Clemens Arvay – Der Biophilia Effekt – Heilung aus dem Wald, 8. Auflage 2021