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Baumharz – Das Gold unserer Wälder

 

Eine der letzten Pecherein Österreichs führt die Familie Rendl aus dem Piestingtal im südlichen Niederösterreich. Es ist dies die Harzgewinnung aus der dort vorkommenden Schwarzföhre (Pinus nigra). Gemeinsam mit seiner Frau Eva und seinen beiden Söhnen Daniel und Dominik bewahrt Pechermeister Robert unser altes Handwerk und auch das traditionelle Wissen über die Heilkraft des Harzes. Mit großer Dankbarkeit, Wertschätzung und einer besonderen Zugewandtheit zu Mutter Natur geht die Familie ihrer einzigartigen Tätigkeit nach. Seit 2011 ist das Pecherhandwerk in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO zu finden. Ich war kürzlich vor Ort und hatte die wunderbare Gelegenheit, Robert bei seinem Können über die Schulter zu schauen. 

 

 

Robert, wie ist es zur Ausübung dieser kunstvollen und zeitintensiven Tätigkeit gekommen? Vor rund zwölf Jahren habe ich mich aus gesundheitlichen Gründen aus meiner bisherigen Tätigkeit zurückgezogen. Ich fühlte mich ausgebrannt und war auf Sinnsuche. Meine Frau inspirierte mich, den Wald aufzusuchen, was ich regelmäßig tat. Dort lernte ich eines Tages einen Pecher näher kennen. Dieser alte Pecher besaß ein breites Wissensspektrum über den Wald und die Natur. Von seiner Arbeit war ich so angetan, dass ich mich dazu entschloss, dieses Handwerk zu erlernen. Jetzt, im Jahr 2024, feiern wir das 10jährige Bestehen unserer Pecherei. Auch heute noch empfinde ich es als Privileg, regelmäßig in den Wald gehen und dort meine Arbeit verrichten zu können.

 

Wenn wir einen kurzen Blick in die Geschichte werfen: Was gibt es aus der Welt des Pechens zu erzählen? Die Technik der Pecherei stammt ursprünglich aus Frankreich. Vor etwa 120 Jahren war die Tätigkeit des Pechers in meiner Gegend weit verbreitet. Rund 2.000 bis 4.000 Schwarzföhren brauchte es, um beruflich das Auslangen finden und eine Familie ernähren zu können. Die Pecherarbeit war sehr umfassend. Das gewonnene Harz wurde vielfältig eingesetzt. Das daraus hergestellte Terpentin wurde beispielsweise als Heilmittel verwendet. Einst war jenes Terpentin, das in Wiener Neustadt nicht unweit von mir hergestellt wurde, von internationalem Ruf. Das ebenso weiterverarbeitete Kolophonium wurde zum Löten oder zum Streichen von Geigenbögen eingesetzt. Bei den Schuhen wurden die Zwirne mit Kolophonium bestrichen, um das Schuhwerk abzudichten. Und bei Ausschlachtungen kam Kolophonium zum Einsatz, um die Borsten des Tieres leichter zu entfernen. Ob als Klebstoff, in Reifen, Seife oder in Lacke: überall ist das Harz oder ein Harzerzeugnis enthalten.  

 

Leider war die goldene Ära das Pechens in den 1970er Jahren vorüber. Andere importierte Erdölprodukte ersetzten das heimische Harz. Die umliegenden Harzwerke wurden geschlossen oder stellten ihre Produktion um.

 

Wie sieht deine Tätigkeit im Jahresverlauf genau aus? Ab Februar oder März beginne ich, einen Teil der groben Rinde der Schwarzföhre mit einem historischen Spezialwerkzeug fachmännisch zu entfernen. Dafür ist nicht jeder Baum geeignet, denn es braucht ein Mindestalter, damit der Baum kräftig genug ist, um uns sein Harz zu schenken. Mit weiteren spezifischen Werkzeugen und Arbeitsschritten bearbeite ich den Baum so, dass ein Pechhäferl fixiert werden und mit Hilfe von Leitscharten das Harz direkt in dieses Häferl einfließen kann. Von März bis September besuche ich jeden einzelnen Baum mindestens einmal pro Woche und setze weitere handwerkliche Maßnahmen, damit das Harz weiter nachfließen kann. Bei fürsorglicher Handarbeit gibt ein Baum im Durchschnitt rund 2kg bis 3kg Harz pro Jahr. Ein Baum schenkt uns sein wertvolles Harz bis zu 40 Jahre lang, oder auch manchmal noch länger, und lebt später ganz normal weiter - das ist mir besonders wichtig!

 

Beim ersten Frost, das kann Ende Oktober oder November sein, wird das Scherrpech gesammelt. Auch hier verfüge ich über traditionelle Geräte wie etwa einen speziellen Scherrpech-Schurz. Das verbleibende härter gewordene Pech trage ich mit Hilfe eines Scharreisens ab. Dieses Harz eignet sich ideal zum Räuchern, braucht aber noch eine Ruhezeit von bis zu zwei Jahren, bevor es für Räucherzwecke seinen Einsatz finden kann. Hier wird wöchentlich das Harz gewendet und zerkleinert, damit es seine bekömmliche Wirkung gut entfalten kann. Wir sind also das ganze Jahr über gut beschäftigt.

 

Was macht das Harz so besonders? Bereits in einer der ältesten heilkundigen Schriften des Alten Ägyptens, im Papyrus Ebers, sind über 850 Rezepte enthalten, wo Harz als Zutat zu finden ist. Auch wenn wir in die Ayurvedische oder Chinesische Heilkunde blicken, uns den Werken von Hippokrates von Kos aus dem Antiken Griechenland oder Hildegard von Bingen aus dem Mittelalter oder Paracelsus aus der Frühen Neuzeit widmen: Harz ist als gesundheitswirksames Mittel in vielen Rezepten wie Salben oder Zäpfchen mit dabei. Das Harz der Föhre besitzt im Übrigen rund 250 verschiedene Inhaltsstoffe, ein vielfältiger Komplex, den die Natur über sehr lange Zeit geschaffen und stetig verbessert hat.

 

Wie verarbeitest du dein Harz? Nach der Reinigung biete ich das Harz pur als Rohstoff oder weiterverarbeitet als Brustbalsam, Pechbalsam, Baumwundbalsam, als Pechseife oder in Badekugeln an. Auch ein Räucherharz stelle ich mit meiner Familie selbst her.

 

Dein Wald ist für dich ein ganz besonderer Ort, wie ich erleben durfte…Ja! Hier spüre ich die Lebendigkeit, die uns alle umgibt. Es gibt eine Weisheit der Lakota-Indianer, die mich in meinem Tun sehr inspiriert: „Mitákuye oyásin - Wir sind alle miteinander verbunden“, das schließt die Bäume mit ein. Mit dieser Haltung gehe ich täglich an mein Handwerk.

 

Lieber Robert, ich danke dir sehr herzlich für diesen wunderbaren Austausch.

 

 

Webseite / Online-Shop der Pecherei Rendl: https://pecherei-fam-rendl.at/

Ein Tipp: Die Familie Rendl ist auch mit ihren Produkten auf verschiedenen Märkten anzutreffen.